ZENTRUM FÜR GANZHEITLICHE

KREBSBERATUNG

A-1040 Wien

Wiedner Hauptstraße
60B/ Stiege 3/ Tür5
Anfahrtsplan

GESUNDHEIT? GESUNDHEIT! WAS?

Als ich diese Zeilen begann, war als erstes der Gegensatz da: gesund gegen krank. Das Bild des Kampfes gegen die Krankheit tat sich auf, den die Schulmedizin als einen beschwört, dessen Regeln und Hintergründe nur sie kenne und bei dem „die Kranke“ am besten ihren Körper losgelöst von allem anderen, was an Gefühlen, Wissen darin steckt, zur Behandlung abgibt. Die Medizin spiegelte mir in ihrem Anspruch meine eigene Entfremdung meinem Körper und Sein gegenüber wider, verstörend und entlarvend auch darum, weil ich mich heil fühlte, die Anwesenheit der Schwäche in mir nicht wahrnahm. Was ist gesund, wie fühlt(e) sich das an?

Die Frage danach bedeutet mit der Diagnose Krebs im Endstadium auch eine Provokation. Warum nicht darüber berichten, was Krankheit heißt? Mit diesem Gedanken wurde mir klar, dass der Blick in das Helle, Unversehrte ein genauso von Klischees und Normierungen geprägter ist wie der des Kampfes dagegen. Die Konfrontation mit dem Ende des eigenen Lebens bringt mir Entsetzen, Wut, Ohnmacht, Verzweiflung, Schmerzen, Müdigkeit, Depression…. aber auch die Sehnsucht nach Wahrheit, nach dem Ende von Selbstverleugnung und Manipulation. Gesundheit umfasst, von hier gesehen, die Abwesenheit aller genannten Gefühle, keine Schmerzen, keine Trennungen, Verluste, die Abwesenheit des Todes letzten Endes, die völlige Verweigerung von Veränderung. Das aber verletzt den Anspruch nach Wahrheit, jetzt ist keine Zeit mehr um sich durchzuschwindeln. Mit der Infragestellung meines Überlebens setzte und setzt ein Fallen ein in Räume, die ich nicht kenne, die ich ungefragt aufzusuchen habe. Inzwischen war ich in Räumen, die so grauenhaft waren, dass ich in der Erinnerung daran zweifle, je dort gewesen zu sein. In manchen dieser Räume erfahre ich aber Glück, vielleicht auch Heilung, in einigen eine Ausdehnung in mir, die schön ist. Für diese Erfahrung brauchte ich die Krankheit. Was in mir wollte diese Erfahrung machen? Wer bin ich? War ich im vermeintlich gesunden Zustand schon krank, weil ich nicht den Mut hatte diese Räume aufzusuchen, diese Gefühle wahrzunehmen?
Ich bemühe mich diese Veränderung zuzulassen, hinzunehmen, dass ich nichts machen kann, niemand etwas machen kann. Können und Müssen verstummen zusehends. Langsam nimmt sich ein neues Bewusstsein Platz, das aber vage ist, nur im Atmen ab und an erfassbar.

Gesundheit betrifft nicht nur den Körper, sie umfasst alles. Gesundheit erfahre ich jetzt manchmal in hellen Augenblicken, dann gelingt ohne Anstrengung alles fließen zu lassen, alle Bewertungen über Bord zu werfen. Alle Gegensätze krank – gesund, schmerzhaft – schmerzfrei, energiegeladen – müde, neugierig – abgestumpft, weinen – lachen… dürfen jetzt sein. Die Krankheit wird zu Lehrerin, so abgedroschen dieser Satz, so sehr realisiert er sich in seiner Einfachheit. Die mich an der Hand haltende und begleitende Krankheit verspricht manches Mal ersehnten Trost, und dann stoße ich sie angeekelt von mir, sie lehrt mich Gesundheit, manchmal auch mit einer schadenfrohen Fratze, die mich angrinst und meine Ignoranz verspottet. Die Schwäche lässt mich alles umarmen: den Schmerz, die Wut, die Erschöpfung, die Angst, den Tod, … dann schmelze ich in einen glücklichen Zustand hinein, frei von Angst und Schuld, frei von Bevormundung, frei von Blutbildern, MRT, CT…und in diesem völlig gesunden Zustand, der die winzige Dauer des Rufes eines kleinen Vogels umspannt, werde ich zum Vogel, fliege und weiß, was möglich wäre für uns. Gesundheit heißt für mich inzwischen, diese Momente zu erhaschen, mich aus den Krallen der Angst zu winden, die das unsichtbare Netz des Heilseins verschlingen und das Aufblitzen der Grenzenlosigkeit in einer hellen Landschaft zu sehen.

Goethes Faust sucht umfassende Erkenntnis und Glück, schon im Vorhinein wissend, dass nur in kleinen Augenblicken diese vollkommene Harmonie für das menschliche Wesen möglich ist. Wie er versuche ich diese Lichtblitze zu erhaschen: „Verweile Augenblick, du bist so schön!“ Und ich hoffe, dass der Pakt mit der Krankheit einer ist, wo auch sie dieser Wandlung unterworfen wird und zur Gesundheit werden kann und die Trennung sich verliert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert