ZENTRUM FÜR GANZHEITLICHE

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IN DEINER HAND

Auf einem hohen Berg in der Nähe eines Dorfes lebte ein Greis, von dem die Leute weithin behaupteten, dass er alles wisse. Zwei Jungen hatten sich nun in den Kopf gesetzt, dem alten Mann eine Frage zu stellen, die er nicht beantworten konnte. Stundenlang saßen sie auf einer Wiese, überlegten und überlegten, welche Frage sie stellen könnten.

Ein Bub kletterte auf einen Baum, um besser nachdenken zu können. Auf dem Ast neben ihm saß ein kleines Vögelchen, das leise zwitscherte. Plötzlich schnappte der Junge sich den Vogel und hielt ihn in seiner Hand fest. Als er zu seinem Bruder hinunter sprang, rief er: „Ich hab´s! Ich weiß, was wir den Alten fragen werden!“ Er zeigte seinem Bruder den kleinen Vogel und sagte: „Wir fragen ihn, was ich in der Hand halte!“
„Er wird antworten, dass du einen Vogel in der Hand hältst“, erwiderte der Bruder wenig begeistert. „Ich weiß. Aber dann werde ich ihn fragen, ob der Vogel tot oder lebendig ist! Und wenn er sagt, dass der Vogel lebt, dann drücke ich meine Hände zusammen. Wenn er aber sagt, dass der Vogel tot ist, dass lasse ich ihn fliegen!“

Diese Idee fand auch sein Bruder gut. Und so rannten sie aufgeregt den Berg hinauf und riefen schon von weitem: „Alter Mann, wir haben eine Frage für dich!“ Der Greis saß still und meditierend vor seiner Hütte, als die Knaben außer Atem bei ihm ankamen. Nach einer Weile öffnete der Mann langsam die Augen und blickte beide freundlich an. „So fragt“, antwortete er einladend. „Alter Mann, was halte ich hier in meiner Hand?“ fragte der eine Bruder und starrte den Alten gespannt an. Der schloss seine Augen wieder, öffnete sie nach einigen Augenblicken und sagte: „Du hast einen kleinen Vogel in deiner Hand.“ Der Junge guckte den Greis siegesgewiss an und fragte weiter: „Nun denn, weiser Mann, ist der Vogel tot oder lebendig?“

Daraufhin schloss der Alte wieder seine Augen. Die Brüder wurden ganz ungeduldig. Als der Greis endlich seine Augen öffnete, schaute er beide lange an. Er wandte sich dann dem Fragenden zu und sprach: „Mein Sohn, ob der Vogel tot oder lebendig ist, liegt ganz allein in deiner Hand.“

Weisheitsgeschichte aus dem Tao